Merkel, von der Leyen, Kramp-Karrenbauer: So weiblich war Politik in Deutschland und Europa noch nie.  So jedenfalls wird in der Presse die Neubesetzung der letzten Spitzenämter in Deutschland und Europa kommentiert. Aber es darf gefragt werden, ob wir mit der Besetzung dreier Spitzenämter tatsächlich eine weibliche Politik in Europa haben. Zwischen zwölf und 47 Prozent – soweit liegen die Anteile von Frauen in den nationalen Parlamenten der EU-Staaten auseinander. Im schwedischen Parlament sind 47 Prozent der Abgeordneten weiblich. Das Land ist damit europäischer Spitzenreiter. Der Frauenanteil im griechischen Parlament beträgt nur 19 Prozent.[1] Schauen wir auf den Frauenanteil in unseren Landesparlamenten beträgt er bei beiden Bundesländern, die sich in diesem Jahr zu einem Parité-Gesetz durchgerungen haben bei ca. 40%. Das Schlusslicht liegt ist Sachsen-Anhalt mit einem Frauenanteil von knapp 22% im Landtag. Damit haben wir nirgendwo repräsentative 50 % Frauenvertretung. Erstmals in der EU-Geschichte  gibt es nun eine Kommissionspräsidentin. Die designierte Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, vervollständigt das Bild der angeblichen neuen Frauenmacht. Keine der Politikerinnen ist für ihren Einsatz einer geschlechtergerechteren Gesellschaft bekannt. Im Gegenteil, so bescheinigt die Wirtschaftswoche besonders das Fehlen von jeglicher feministischer Initiative bei Frau von der Leyen als klugen Schachzug für ihre Karriere.[2] Allerdings scheint auch hier das neue Amt Flügel zu verleihen: Von der Leyen hat in ihrer Bewerbungsrede versprochen, die Kommissionsposten 50:50 an Männern und Frauen zu vergeben. Seit 1958 hat es nur 35 Kommissarinnen gegeben. Nun sind die EU-Mitgliedsstaaten aufgerufen, nachzuarbeiten und jeweils einen Mann und eine Frau als Kandidaten vorzuschlagen. Bis Oktober hat sie noch Zeit, mit den EU-Staatschefs zu reden, damit sie ihr Ziel erreicht.[3] Auch die neue Bundesverteidigungsministerin will in ihrem Amt etwas für Frauen erreichen. Dass Frauen in Führungspositionen berufen werden, müsse auf Dauer selbstverständlich sein, so Kramp-Karrenbauer in einem Interview kurz nach ihrer Berufung.[4] Gerade in der Bundeswehr dürfte diese Haltung nicht auf uneingeschränkte Zustimmung stoßen. Von den rund 180.000 Soldatinnen und Soldaten sind gerade mal etwa 22.000 weiblich. Je höher es in der militärischen Hierarchie geht, desto männlicher wird es.[5] Es ist toll, wenn wir mehr Frauen jetzt in politischen Spitzenämtern sehen. Sie sind ohne Zweifel Rollenmodelle für eine gewünschte Normalität. Aber machen wir uns nichts vor, es geht hier um Spitzenämter in der Politik. Viele Städte und Gemeinden haben nach wie vor ihre liebe Not damit, vor den Kommunalwahlen weibliche Kandidaten für ihre Listen zu finden.[6] Schauen wir auf die Wirtschaft sieht es nach wie vor düster aus. Der Anteil von Frauen in Vorständen der börsennotierten Unternehmen in Deutschland ist zwar im vergangenen Jahr von 7,3 auf 8,6 Prozent gestiegen, doch in zwei Dritteln der Vorstandsgremien sind Frauen gar nicht vertreten. Aufsichtsräte bleiben trotz Frauenquote eine Männerdomäne.[7] Wir gehen mit den starken Frauen und hoffen, dass sie auch bald mutig genug sind sich tatsächlich für ein frauengerechteres Deutschland und Europa einzusetzen.

Beitrag von Bettina Praetorius, Vorstand & Gründerin des Vereins Frauen aufs Podium.

 

 

 

[1] https://www.spiegel.de/politik/ausland/internationaler-frauentag-paritaet-in-der-eu-frauen-an-der-macht-a-1256576.html
[2]  https://www.wiwo.de/politik/europa/methoden-der-neuen-kommissionschefin-was-manager-von-ursula-von-der-leyen-lernen-koennen-frauen-wie-maenner/24682512.html
[3]  https://www.watson.de/international/analyse/814593517-von-der-leyen-koennte-schon-vor-amtsantritt-ihr-versprechen-nr-1-brechen
[4] https://www.berlinertageszeitung.de/politik/44015-kramp-karrenbauer-will-als-ministerin-auch-vorbild-fuer-andere-frauen-sein.html
[5] https://taz.de/Neue-Verteidigungsministerin/!5612244/.
[6] https://bnn.de/lokales/achern/frauenanteil-kommunalpolitik-ist-vor-allem-maennlich
[7] https://www.morgenpost.de/politik/article216163811/Die-Chefetagen-in-Deutschland-werden-etwas-weiblicher.html