„Heute ist ein düsterer Tag für die Frauen in den USA“ – „Heute ist ein guter Tag für die Frauen in Deutschland“ – zwei Schlagzeilen welche fast zeitgleich erschienen. Doch was steckt dahinter?

Ungläubig und empört blicken wir nach Amerika. Mit der Grundsatzentscheidung Roe v. Wade entschied am 22. Januar 1973 der Oberste Gerichtshof (Supreme Court), dass ein Abtreibungsverbot gegen die Verfassung verstößt. Roe v. Wade war der Gerichtskampf zwischen Jane Roe (Sammelklage aller schwangeren Frauen, angelehnt an den Begriff Jane Doe- ein Platzhaltername welcher für unbekannte Frauen verwendet wird) und Henry Wade (ein texanischer Bezirksanwalt). Die Klage hatte Erfolg und führte zu dem Urteil, dass Schwangerschaftsabbrüche uneingeschränkt möglich waren. Damals war der Supreme Court von einer liberalen Richtermehrheit geprägt.

Nun, fast 50 Jahre später, kippt das oberste Gericht dieses Recht und überlässt jedem Bundestaat die Regelung für Abtreibungen selbst. Diesmal ist der Supreme Court von einer konservativen Mehrheit geprägt. Drei dieser konservativen Richter wurden von Donald Trump ernannt. Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett. Sie stimmten gemeinsam mit Clarence Thomas und Samuel Alito für das neue Urteil. Die als liberal geltende Minderheit, bestehend aus Sonia Sotomayor, Elena Kagan und Stephen Breyer, stimmten dagegen.

In 26 konservativ geführten Staaten könnte es nun sehr bald zu starken Einschränkungen des Abtreibungsrechts kommen. In 13 von ihnen liegen bereits Gesetzesentwürfe vor.Liberale Staaten wie Kalifornien und New York wollen das Abtreibungsgesetz beibehalten und fürchten nun einen großen Andrang auf Kliniken. Wie mit Abtreibungspillen umgegangen werden soll ist noch nicht klar. Im vergangenen Jahr entschied die Regierung unter Joe Biden, dass dieses Mittel per Post verschickt werden darf.Viele Menschen melden sich zu Wort. Darunter auch Barack Obama und Michelle Obama. Über Twitter drücken sie ihr Mitgefühl gegenüber allen Frauen aus die nun einen großen Teil ihres Selbstbestimmungsrechts verloren haben.

„I am heartbroken today. I am heartbroken for people around this country who just lost the fundamental right to make informed decisions about their own body. […]“ –Michele Obama.

Auch Trump äußert sich, jedoch ist er positiv gestimmt, da er nach eigenen Angaben „Pro-Life“ ist. Nur in drei Fällen sollten Abtreibungen seiner Meinung nach erlaubt sein: Vergewaltigung, Inzucht und wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist.

Der Versuch von Biden das Gesetz zu retten und durch den Kongress zu verankern scheiterte.

Nicht nur Frauen bangen nun um ihre Rechte. Die Befürchtung der Supreme Court könne nun auch noch weitere Urteile anzweifeln ist hoch. Die gleichgeschlechtliche Ehe, welche erst 2013 auf Bundesebene legalisiert wurde, könnte nun in Gefahr sein. Auch weitere Urteile zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen und Schwangerschaftsverhütung bereiten vielen Menschen Sorge. Wieder einmal lässt sich in den USA die Spaltung zwischen Konservativen und Liberalen erkennen. Während die eine Hälfte feiert, geht die andere auf die Straße.

Doch nicht nur in Amerika haben Frauen mit solchen Einschränkungen zu Kämpfen.

In El Salvador, einem Land in Zentralamerika, gibt es überhaupt keine Ausnahmen. Hier herrscht ein sehr strenges Abtreibungsverbot wie fast nirgends auf der Welt. Besonders arme Frauen leiden weltweit darunter. Denn mit genug Geld kann man sich auch dort eine, zwar illegale, aber halbwegs sichere Abtreibung leisten. Die Gesetze dort sind so scharf, dass schon mehrere Frauen aufgrund einer Fehlgeburt, wegen Verdacht einer absichtlich durchgeführten Abtreibung, ins Gefängnis kamen. Aber auch in Europa wie in Malta sind Abtreibungen strengstens verboten, selbst wenn Lebensgefahr für die Mutter besteht.

Der erschreckende Fall einer amerikanischen Touristin zeigt wie ernst diese Situation ist. Um ihre Schwangerschaft zu feiern reiste sie mit ihrem Lebensgefährten nach Malta. Nach einigen Komplikationen wurde das Kind, trotz Herzschlages, als nicht lebensfähig befunden. Die Frau schwebte in Lebensgefahr. Trotzdem war ein Schwangerschaftsabbruch nicht möglich. Glücklicherweise konnte sie nach Mallorca ausgeflogen werden, dort konnte eine Abtreibung durchgeführt werden. Dieser Fall sorgte für Demonstrationen und die Forderung die Gesetzgebung diesbezüglich zu lockern. Bislang ohne Erfolg.

Auch ganz in unserer Nähe gibt es Länder mit strengen Abtreibungsgesetzen

In Polen sind Abtreibungen nur erlaubt wenn das Leben und die Gesundheit der Mutter bedroht sind oder das Kind durch Inzucht zustande kam. Waren Abtreibungen aufgrund schwerer Missbildungen des Fötus früher noch erlaubt, sind sie seit Herbst 2020 nun verboten. Auch Deutschland ist nicht so frauenfreundlich wie es manchmal den Anschein hat, denn auch in Deutschland gelten Schwangerschaftsabbrüche als rechtswidrig und sind grundsätzlich verboten. Dies besagt ein Gesetz welches seit 1871 besteht. Viele kennen es unter Artikel §218.

Nur unter bestimmten Bedingungen bleibt eine Abtreibung straffrei

Die Beratungsregelung, welche in Deutschland herrscht, schreibt vor, dass sich jede Frau die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung zieht, vorher einem Beratungsgespräch und einer Gedenkzeit von mindestens 3 Tagen unterziehen muss. Bis zur zwölften Schwangerschaftswoche dürfen Frauen entscheiden ob sie einen Abbruch wünschen, oder nicht. Nach dieser Zeit ist ein Abbruch nur in Ausnahmesituationen gestattet – darunter zählen, Gefährdung der Gesundheit, Missbildungen oder Schädigung des Kindes. Bei einer kriminologischen Indikation, sprich Sexualdelikten, fällt die Beratungspflicht weg. Für jede Schwangerschaft die vor Vollendung des 14. Lebensjahres entsteht gilt immer eine kriminologische Indikation. Die Kosten eines Abbruchs müssen die Frauen selbst tragen, außer es sind nachweisbare medizinische oder kriminologische Umstände.

Das Ende des §219 – ein Grund zum Feiern?

Durch die Abschaffung des Artikels §219 ist es in Deutschland Ärzt*innen nun erlaubt über Schwangerschaftsabbruche zu informieren und darauf zu vermerken, dass sie solche durchführen. Ein Fortschritt. Artikel §218 gilt jedoch noch immer. Solange dieser in Kraft ist, ist das Recht auf Abtreibung für Frauen nicht gesichert. Wir sollten uns nicht mit der Abschaffung von Artikel §219 zufriedengeben und weiterhin dafür kämpfen unsere Rechte zu sichern. Gerade die neusten Ereignisse in Amerika zeigen wie schnell ein als selbstverständlich angesehenes Recht entfallen kann und diese, ohne Absicherung, bei einem Regierungswechsel nicht garantiert sind. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig mit seiner politischen Stimme ein Statement zu setzen und nur den Leuten Macht zu verleihen, die auch für unsere Rechte einstehen.

Von Anja Jörn


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2024-02-12T17:18:11+01:00

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