Die Arbeit von Medienfrauen in Zeiten des Corona-Lockdowns

 

Der Blick ins Home-Office von Journalistinnen und PR-Fachfrauen zeigt: Am Schreibtisch gesessen wurde dort in den letzten Monaten nur bedingt, der Corona-Lockdown hat viele Frauen auf ihre Mutterrolle zurückgeworfen. Mit Blick auf die Zukunft bedeutet das: Frauen sind trotz und wegen höherer Belastung noch mehr gefordert, sich politisch zu engagieren.

In einer Online-Runde des Journalistenverbandes Berlin-Brandenburg diskutierten Medienfrauen im Juni die Frage „Gleichberechtigung adé?“  Moderiert wurde das Netzwerktreffen von Susanne Stephan (Focus), die mit der Begrüßung auch gleich eine angekündigte Kollegin am virtuellen Podium entschuldigen musste: Sabine Rennefanz (Berliner Zeitung, Buchautorin, Radio 1) war kurzfristig die Kinderbetreuung ausgefallen. Ohne Umschweife war man damit mitten im Thema, das Kathrin Gotthold (Textchefin Finanztip) und Mareice Kaiser (Chefredakteurin Edition F) zusammen mit weiteren Medienfrauen aus dem gesamten Bundesgebiet diskutierten.

Einig war man sich schnell: Home-Office und Kinderbetreuung funktionieren nicht zusammen. Zwar ist die Arbeit von zuhause aus keineswegs Corona-bedingtes Novum für Journalistinnen und PR-Frauen. Mit Kind am Schoß oder im Home Schooling ist aber nicht zu bewerkstelligen, was der Berufsalltag an Anforderungen mit sich bringt.

Das formulierte Mareice Kaiser auch in einem offenen Brief an den Grundschullehrer ihrer Tochter: „Ich bin die Mutter, nicht die Lehrerin“. Am 15. März, also zeitgleich mit dem Lockdown, hatte sie ihre neue Stelle als Chefredakteurin der Edition F angetreten. Ihr offener Brief wurde dort schnell zum meistgeklickten Artikel, der von ihr geprägte Hashtag #CoronaEltern in kürzester Zeit zum Selbstläufer. Von einem guten Start kann aber keine Rede sein: „Ich will nicht den Eindruck vermitteln, dass es irgendwie gut läuft gerade.“

Kathrin Gotthold nickt dazu bestätigend. Die Textchefin des Finanztip brachte in den vergangenen Monaten weitaus mehr Arbeitsstunden zu, als das im Büro der Fall gewesen wäre, allerdings bei klar schmälerem Ergebnis. Home-Office mutiert zwangsläufig zum Home-Everything, wenn gleichzeitig ein Kleinkind rund um die Uhr versorgt werden will und auch der Partner versucht, seinem Vollzeitjob nachzugehen.

Mit den Angeboten, die bislang von der Politik kommen, um gegenzusteuern, scheint es, dass Frauen wieder da angelangt wären, wo sie vor Jahrzehnten waren: Bei der Entscheidung zwischen Kind und Karriere. Betreuungsmöglichkeiten bestehen nur solange es keine Ausnahmesituation gibt, präsentierte Maßnahmen wie das Corona-Elterngeld sind eher unter dem Label Symbolpolitik zu verbuchen, als dass sie eine zeitgemäße Bildungs- und Familienpolitik darstellen. Zwar verlieren Frauen nicht ihre (Kurz-)Arbeit, dafür aber ihre Anerkennung, Mitentscheidung und Präsenz.

Die aber braucht es, um Engagement zu zeigen und Karrieren voranzutreiben. Zuhause bei Kindern und Hausarbeit gelingt das den meisten Frauen kaum. Sich zu profilieren – das ist heute wieder Männersache. Wer trifft jetzt die Entscheidungen und legt innovative Konzepte vor? Wer kann noch networken? Der Mediendienst kress.de zeigt es und präsentiert auf seiner Liste „10 Köpfe, die in der Corona-Krise gefragt sind“ – ausschließlich Männer. Und liefert damit den Beweis, den wissenschaftliche Studien mittlerweile untermauern: Auch die Geschlechtergerechtigkeit krankt gewaltig an dem Virus.

Aktuelle von der Malisa-Stiftung in Auftrag gegebene Studien zur Sichtbarkeit von Frauen in der Corona-Krise belegen, dass in TV-Formaten nur eine von fünf Expert*innen weiblich war. In der Online-Berichterstattung wurden Frauen nur zu rund 7 Prozent als Expertinnen erwähnt. Als Mediziner*innen kamen vor allem Männer zu Wort – obwohl fast die Hälfte aller Ärzt*innen in Deutschland weiblich ist. Von den im TV befragten Ärzt*innen ohne Leitungsfunktion war nur eine von fünf weiblich. Insgesamt kamen sowohl im Fernsehen als auch in den Online-Berichten der Printmedien mit Corona-Bezug auf eine Frau zwei Männer.

Der Lockdown bedeutete für Frauen also nichts weniger als das Verschwinden von der Bildfläche. Wohin? Das weiß man, wenn man das genauer in Augenschein nimmt, was in der Krise immer wieder als „systemrelevant“ bezeichnet wurde: Es sind vor allem Frauen (75 Prozent), die in den nun als systemrelevant und unverzichtbar geltenden Berufen arbeiten. Sie sind es, die unter schlechten Arbeitsbedingungen und erhöhtem Infektionsrisiko die Lasten der Corona-Krise tragen und als „Heldinnen“ im Supermarkt, in Pflegeheimen und Krankenhäusern oder als Erzieherin in der Notbetreuung und vielen anderen Bereichen das Land am Laufen halten. Mehr als 50 Prozent von ihnen tut das in Teilzeit. Sie sind die Trägerinnen eines Systems, das sie umgekehrt zu Verliererinnen macht.

Um Veränderungen in dieses System zu bringen, braucht es die Politik: Denn dass sich die Ungleichheiten, die es schon vor der Krise gab, bereits massiv verschärft haben, legen beispielsweise die Ergebnisse einer Studie der Hans Böckler Stiftung nahe.

Doch warum zeigte man ausgerechnet dort in den letzten Wochen so wenig Einsatz für das Thema Geschlechtergerechtigkeit? Die Antwort liegt auf der Hand: Frauen sind in der Politik nach wie vor unterrepräsentiert. So beträgt etwa der Frauenanteil im deutschen Bundestag nur rund 30 Prozent – immer noch zu wenig, um Ungerechtigkeiten wirksam entgegenzutreten und abzubauen.

Die Crux: Kinder, Haus, Herd und dann auch noch der Job – den Menschen, die betroffen sind, fehlt am Ende oft die Kraft, gegen diese Missstände anzukämpfen. Doch sich einzubringen, um auf die Politik Druck zu machen und Veränderungen zu bewirken, ist aktuell so wichtig wie lange nicht, wie sich in der Gesprächsrunde der Medienfrauen bestätigte: Es sei hoch an der Zeit, dass Frauen nicht nur Leistung erbringen, sondern sich auch einmischen und mitmischen. Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey agiere bislang viel zu zurückhaltend.

Finanztip-Textchefin Gotthold gab zu bedenken, dass die stumme Mehrleistung der Betroffenen den verhängnisvollen Eindruck erwecken könnte, dass solche Lockdowns ohne unterstützende Angebote und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder auch in Zukunft zu Lasten von Frauen erfolgen können, wenn diese jetzt nicht ihre Stimme erheben – angefangen bei der Elternvertretung bis hin zur Politik.

Die Teilnehmerinnen formulierten schließlich noch weitere Forderungen an die Politik, von der man sich bildungs- und familienpolitische Antworten erwartet, die bislang ausblieben: Priorisierung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Konzepte für die Beschulung und Betreuung von Kindern nach den Sommerferien sowie ein Umdenken hin zu einer Gesellschaft, in der Care-Arbeit wertgeschätzt oder sogar bezahlt wird, anstatt wie aktuell ganz hinten auf der Agenda zu stehen. Oder um es in den Worten einer Medienfrau auszudrücken, die auch das Schlusswort der Runde gab: „Wir Frauen haben in den letzten Monaten viel gelöst. Jetzt wird es Zeit, dass Lösungen von der Politik kommen!“

Lucia Schöllhuber