Wenn wir über Gleichstellung und Gleichberechtigung sprechen, kommen wir an einem Thema nicht vorbei: Frauenquote für Unternehmen, Podien, Parteien: ja oder nein? Unsere Autorin Mariana findet Quoten anstrengend. Wobei sie helfen und warum sie ein wichtiges Mittel zum Zweck sind, erklärt sie in ihrem Blogbeitrag.
“The fact that this stage has only women is remarcable. Why is it remarcable? If it was all men, it wouldn’t be remarcable, it would be normal. (…) I want a world, where it’s ordinary.” Was die Autorin Chimamanda Ngozi Adichie Anfang September in einer Podiumsdiskussion mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Düsseldorfer Schaupsielhaus sagt, fasst besser zusammen, was Gleichberechtigung bedeutet, als tausend Studien und Statistiken.
Ich gebe zu, ich finde Quoten anstrengend. Sie bringen uns dazu, Menschen als Nummern zu sehen. Sie machen, dass wir statt auf die Qualifikation einer Person darauf schauen, ob sie die Quote erfüllt. Meiner Meinung nach sollten in politischen Ämtern, Diskussionsrunden und anderne Runden die Leute sitzen, die das beste Know-how mitbringen. Deshalb stand ich Quoten immer skeptisch gegenüber.
Denkfehler: Frauenquote als Werkzeug, nicht als Lösung
Dabei habe ich aber einen grundlegenden Denkfehler gemacht: All meine Kritikpunkte gelten nur in einer Welt, in der wir Menschen gleich behandeln. Das tun wir aber nicht. Nicht sprachlich, nicht in der Bezahlung, nicht in unseren Gedanken. Nur laut unseres Grundgesetzes.
Lassen wir die Fakten sprechen: In der Politik sitzen nach wie vor viel mehr Männer als Frauen. Ja, wir haben noch eine Bundeskanzlerin, und ich bin überzeugt, allein dieser Fakt hat viel in den Köpfen geändert. Es hat ja auch bei der Kanzlerin selbst einiges geändert, die heute stolz sagt, dass sie Feministin ist und fordert “Wir sollten alle Femininistinnen sein.” Trotzdem ist es eben nicht selbstverständlich, dass Frauen politische Ämter innehaben. Oder warum wurde Annalena Baerbock in den Medien wochenlang kritisch hinterfragt, wie denn eine junge Mutter Kanzlerin können wolle?
Dass die weiblichen Perspektiven oft fehlen, hat Konsequenzen, die wir im täglichen Leben spüren. Jeder von uns. Zum Beispiel in unseren Innenstädten, wo ausreichende Parkplätze oft immer noch wichtiger sind als kinderwagengeeignete Geh- und sichere Radwege. Zum Beispiel in Rentenmodellen und Krankenversicherungen, wo Frauen konsequent schlechter dastehen.
In der idealen Welt, die ich vor Augen hatte, muss ich auf meinen Bewerbungen im ersten Schritt keine persönlichen Daten oder gar ein Foto angeben, weil die Personalentscheidenden sich erst mal für meine Qualifikation interessieren. In dieser Welt können Väter und Mütter selbst entscheiden, wie sie die Elternzeiten aufteilen. Werden Frauen nicht per se als “Risikofaktoren” wahrgenommen.
Aber wie kommen wir dahin?
Indem wir uns selbst daran gewöhnen, dass genausoviele Frauen wie Männer in diesem Land leben. Dass diese Frauen eine genauso wertvolle Stimme haben wie Männer. Dass es vollkommen normal ist, dass sie mitgestalten. Dass sie sich nicht rechtfertigen müssen.
Und weil das nicht von selbst passiert, braucht es Werkzeuge, die unsere Perspektiven ändern. Je häufiger wir etwas in unserer Umgebung wahrnehmen, damit in Berührung kommen, umso normaler wird es. Dass Frauen wählen dürfen, war noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar. Das Recht dazu in Form der gesetzlichen Regelung hat bewirkt, dass es heute für uns normal ist. Dass Frauen einen Beruf ausüben, war noch vor wenigen Jahrzehnten von der Erlaubnis ihres Ehemannes abhängig. Heute ist es normal, dass junge Frauen studieren, einen Beruf ausüben, sich selbst um ihren Lebensunterhalt kümmern. Wenn sie das mit einem Partner teilen wollen, dann ist es ihre freie Entscheidung.
Vor 16 Jahren war in vielen Köpfen das Bild eines Staatsoberhauptes männlich – abgesehen von der englischen Krone. Das hat sich mit Angela Merkel geändert. Mehr Frauen trauen sich, sich aktiv einzubringen. Aber noch viel zu oft lassen sie männlichen Kollegen oder Kontrahenten den Vortritt.
Frauenquoten sind ein wirksames Werkzeug, das zu ändern. Sie zwingen Entscheidungsträger, ihren Blick zu weiten. Sie bringen aber auch Frauen dazu, sich zu trauen, ihr Recht einzufordern. Ihre Stimme zu erheben.
Bis wir auch nur eine halbwegs funktionierende Gleichberechtigung haben, brauchen wir Werkzeuge, die uns Menschen helfen, aus unserer Komfortzone herauszutreten. Uns zu hinterfragen. Gewohntes aufzubrechen. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass wir bald keine Frauenqoten mehr brauchen.
Von Mariana Friedrich
Foto und Grafik: Mariana Friedrich