Die Autorin Gisela Klindworth erklärt, was Autorität und Macht mit Führungsqualitäten zu tun haben

Was ist Autorität? Warum wird sie oft mit Macht gleichgestellt? Und was ist das Problem daran? Gisela Klindworth beschäftigt sich in ihrem neuen Buch „Respektierte Autorität in der Leitung. Mehr als eine Bitte und weniger als ein Befehl“ mit der Frage, wie Führungskräfte Zusammenarbeit organisieren können und warum es dabei eben nicht auf Macht ankommt. Einen kleinen Einblick gibt die Autorin für unseren Blog.

Wie kann man als Führungskraft (Leitungskraft) dazu beitragen, dass Mitarbeitende engagiert und effektiv zusammenarbeiten? Was kann man dafür von weiblichen Führungskräften lernen? Wie führen sie, und wie können sie sich in ihrem beruflichen Umfeld behaupten?

Auf den Tisch hauen oder diskutieren?

Viele Menschen in Führungspositionen denken, sie müssten dafür sorgen, dass ihnen „niemand auf der Nase herumtanzt“. Dafür bräuchten sie ein „positives Verhältnis zur Macht“. Die machtvolle Durchsetzung scheint auf den ersten Blick schnell und einfach. Ein Machtkampf kann jedoch einen hohen Preis haben, wenn die andere Seite unzufrieden oder widerständig reagiert. Wer droht, muss die Drohung ggf. wahrmachen und mit Blockaden und harten Auseinandersetzungen rechnen. Sowohl Effizienz als auch wertvolle Mitarbeitende können dabei verlorengehen. Andere Leitungskräfte wiederum wollen auf keinen Fall autoritär auftreten, möchten alle Entscheidungen nach Auseinandersetzungen um das beste Argument und im Konsens fällen und schaffen mitunter eine „Kultur des unendlichen Diskutierens“.

Autorität statt Macht

Wer eine leitende Funktion innehat, besitzt Einflussmöglichkeiten, die andere nicht haben. Zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden gibt es eine ungleiche Beziehung, die von den Beteiligten akzeptiert werden muss. Mitarbeitende reagieren auf Impulse, weil sie etwas gewinnen und die ungleiche Beziehung als ausgewogen betrachten. „Ich nehme meinen Mitarbeitenden gewisse Aufgaben ab, dafür stehen sie hinter mir.“ Die Balance von Geben und Nehmen muss stimmen. Mitarbeitende, die ihrer Leitungskraft Vertrauen entgegenbringen und sich an deren Vorgaben orientieren, verleihen ihnen Autorität und Einfluss. Autorität ist getragen von einer grundlegenden Anerkennung, muss aber gewonnen werden und kann auch wieder verloren gehen. Die Leitungskraft ist zwar grundsätzlich hinterfragbar, aber ihre Entscheidungen werden nicht permanent in Frage gestellt. Sie bewegt sich zwischen Diskussion und Macht, richtet an ihre Mitarbeitenden mehr als eine Bitte und weniger als einen Befehl – weder das eine, noch das andere.

Neue Bilder von Autorität

Leitungskräfte, die sich vom alten Bild des Patriarchen als nicht hinterfragter Autorität lösen, können Entscheidungen treffen und auf andere Prinzipien zurückgreifen, die traditionell eher in der weiblichen Sozialisation angesiedelt waren. Sich kümmern und fragen zum Beispiel. Und siehe da – das tut der Autorität keinen Abbruch, sondern stärkt sie. Erfolgreiche Frauen in Führungspositionen erläutern in Interviews, auf welche Weise sie leiten und damit Vertrauen und Anerkennung gewinnen: Sie bringen ihren Mitarbeitenden nicht nur durch Worte, sondern auch durch aktives Tun Respekt, Anerkennung und Wertschätzung entgegen. Sie interessieren sich dafür, wie sie ihre Arbeit verrichten, wie es ihnen geht und was sie im Gegenzug für ihren Arbeitseinsatz von der Organisation und der Leitungskraft erwarten. Sie geben den Mitarbeitenden Orientierung und Sicherheit, sind nahbar und ansprechbar, hören zu und setzen sich auseinander. Und sie übernehmen Verantwortung, indem sie Entscheidungen fällen und den Mitarbeitenden damit Rückendeckung geben. Dafür nehmen sie im Vorfeld die Expertise und die Meinungen der Mitarbeitenden auf. Gleichzeitig verlieren sie ihren Organisationsauftrag nicht aus den Augen und lassen keinen Zweifel daran, dass bestimmte Aufgaben zu erledigen sind. Sie sind sowohl an den Mitarbeitenden als auch an den zu erledigenden Aufgaben orientiert und versuchen, etwaige Diskrepanzen auszubalancieren.

Leiten als Gartenarbeit

In einem Garten brauchen alle Pflanzen gute Bedingungen zum Wachsen und Gedeihen. Dies lässt sich auf die Arbeitswelt übertragen: Führungskräfte sorgen dafür, dass die Mitarbeitenden ihre Arbeit gut erledigen können. Sie müssen nicht selber die „Macherinnen“ und „Macher“ sein, sondern unterstützen die erfolgreiche Entwicklung von Potenzialen. Sie können förderliche Prozesse für ein gutes Miteinander anstoßen und in Gang halten oder lediglich unterstützen. Sie sorgen für Arbeitsabläufe und für Kommunikationsstrukturen, die ein effektives Arbeiten ermöglichen. Sie klären, welche Entscheidungen von einzelnen und welche im Austausch getroffen werden. Sie sprechen relevante Themen an und moderieren Auseinandersetzungen so, dass Diskussionen ziel- und ergebnisorientiert geführt werden können. Lässt sich keine Lösung gemeinsam finden, kann ihre Entscheidung die Gruppe entlasten, sofern alle Betroffenen am Prozess beteiligt sind.

Wenn man nicht spricht, dann wissen die anderen auch nicht, was man will

Führungskräfte gewinnen Autorität, wenn sie nicht nur für die Mitarbeitenden sorgen, sondern sich auch mit ihnen auseinandersetzen. Ständig im Austausch zu sein bedeutet, Beziehungen zu pflegen. Das wird häufig als „Wohlfühlprogramm“ für die Mitarbeitenden missverstanden, doch es geht darum, Voraussetzungen für eine optimale Leistungserbringung zu schaffen. Führungsarbeit erschöpft sich nicht darin, Arbeit zu verteilen, sondern die Leitungskraft muss im Blick behalten, wie die Zusammenarbeit in der Organisation funktioniert, und eingreifen, wenn sich Klärungsbedarf zeigt. Dazu muss sie nicht nur fachliche, sondern auch persönliche Konflikte besprechen und moderieren. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht.

Platz nehmen

Wer anderen Autorität zuerkennt, gestattet ihnen Einfluss auf die eigene Meinungsbildung oder zumindest auf das eigene Verhalten. Weibliche Führungskräfte berichten, dass es für sie besondere Schwierigkeiten birgt, sich auf bestimmten Ebenen durchzusetzen und sich Autorität zu verschaffen. Mit einer gewissen Distanz beobachten sie, wie in Männerrunden häufig erst einmal Ränge geklärt werden, bevor es an Sacharbeit geht.

Besonders weibliche (natürlich auch einige männliche) Führungskräfte orientieren sich eher an Inhalten und versuchen sich durchzusetzen, indem sie beharrlich ihre Fachkompetenz einbringen und erfolgreiche Arbeit leisten. Statt zu hoffen, dass ihre Leistung anerkannt werde, wenn sie bedeutend mehr leisten als andere, könnte es erfolgversprechender sein, wenn Frauen sich darum kümmern, dass die eigenen Erfolge sichtbar sind. Oft ist es erforderlich, bei anderen Unterstützung zu suchen, sich den eigenen „Platz zu nehmen“ und die eigene Position zu behaupten. Manchmal gehört auch dazu, „mitzuspielen“, wenn man etwas durchsetzen will. Diese Strategie schreckt besonders Frauen davon ab, eine Führungsposition zu übernehmen. Es kann auch sein, dass Frauen diese Vorgehensweisen gar nicht erkennen oder von bestimmten Absprachen ausgeschlossen werden. Dann müssen sie dafür sorgen, dass sie einbezogen werden.

Lust auf Leitung und Anerkennung weiblicher Formen von Autorität

Es gibt viele Motive, aus denen heraus Menschen eine Leitungsfunktion übernehmen. Frauen entscheiden sich häufiger als Männer gegen eine Führungsposition, weil die Vereinbarkeit von Familie und Karriere für sie schwerer zu realisieren ist und weil sie mit zu hohen Ansprüche an sich meinen, einer Aufgabe nicht gerecht werden zu können. Eher weiblich sozialisierte Herangehensweisen werden meist nicht als erfolgreiche Strategien gesehen und bezeichnet, auch wenn sie sich längst als erfolgreich herausgestellt haben. Es wird Zeit für ein neues Paradigma in der Führungskultur. Es braucht Vorbilder und Geschichten, die Lust machen, die Leitungsaufgabe mit Mut und Ideen anzugehen. Gerade für Frauen ist es wichtig, weibliche Vorbilder zu haben, aber nicht nur für sie. Gut, dass es erfolgreiche Vorbilder dafür gibt.

Von Gisela Klindworth

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