Die Expertin für Gender Diversity Carmen Niethammer prophezeit genau das in einem Artikel auf forbes.com. Mit ihrer Erlaubnis dürfen wir eine gekürzte Variante ihrer Analyse in Übersetzung veröffentlichen.

Arbeitnehmern, Investoren und Verbrauchern stockte gleichermaßen der Atem: Die deutsche Automobilindustrie, die direkt 830.000 und indirekt um die zwei Millionen Menschen beschäftigt, kündigte an, dass sie drastisch Stellen abbauen wird. „Insgesamt ist bis 2030 mit einem Verlust von 233.000 Arbeitsplätzen (…) zu rechnen “, prognostiziert Ferdinand Dudenhöffer vom Zentrum für Automobilforschung (CAR) der Universität Duisburg-Essen.
Da die traditionelle Autoindustrie vor noch nie dagewesenen Herausforderungen steht, kann sie es sich nicht leisten, auf die Beiträge ihrer sowohl männlichen als auch weiblichen Top-Talente zu verzichten. Angesichts der Herausforderungen, klimafreundlichere Mobilitätslösungen zu entwickeln und neue Verbrauchermärkte zu sichern, könnte die weitere Förderung der Gender Diversity in der Branche eine Erfolgsformel sein.

Die Kundin ist künftig Königin

Der Erfolg der Autoindustrie hängt zu einem großen Teil von den Verkaufszahlen ab. 2019 wird die weltweite Automobilindustrie nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), der Lobbygruppe der deutschen Automobilindustrie, 4 Millionen Fahrzeuge weniger als im Vorjahr verkauft haben. In Deutschland sind nur 32 Prozent der Neuwagenkäufer weiblich. Hier gibt es Potenzial. Auch sind Frauen laut jüngster deutscher Untersuchungen bedachter beim Thema Umwelt: Neunundzwanzig Prozent der Frauen würden ihr Auto verkaufen, wenn es bestimmte Emissionsnormen nicht erfüllt. (…)

Der Business Case für Gender Diversity

Laut Deloitte steckt die Automobilindustrie derzeit in einer Talentkrise. Die Entwicklung eines Wettbewerbsvorteils erfordert Mitarbeiter, die offen sind für neue Möglichkeiten, für innovative und kreative Lösungen. Frauen sind eine entscheidende Komponente der potenziellen Lösung, doch machen weibliche Mitarbeiter nur ein Viertel der weltweiten Belegschaft des Sektors aus.

Der Krieg um Spitzenkräfte

In Deutschland gehört der Anteil der Frauen mit 17,6 Prozent zum niedrigsten im europäischen Durchschnitt (24,2 Prozent). Zwar ist der Anteil der Frauen in Führungspositionen leicht gestiegen, trotzdem gehörten 2018 nur 16 Frauen (8 Prozent) den Führungskräften der 20 führenden Unternehmen der Fortune Global 500 an, die in der Automobil- und Zulieferindustrie tätig sind. Und das, obwohl mehr als die Hälfte der C-Suite-Führungskräfte in der globalen Automobilindustrie Frauen als wichtige und nicht voll ausgeschöpfte Ressource ansieht.

Gender Diversity als Lösung

Interessant dabei ist, dass die Automobilhersteller laut des Deutschen Arbeitgeber Rankings führend beim Thema Vielfalt am Arbeitsplatz sind. Daimler hat sich verpflichtet, den Anteil der Frauen in Führungspositionen bis 2020 auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen. Bei der Volkswagen AG wird die Gleichstellung der Geschlechter als Teil eines Gesamtziels „Stärkung der Vielfalt“ in den Mittelpunkt gestellt. Und Audi investiert im Rahmen der Initiative „Sie und Audi“ in die Gleichstellung. Audi, BMW, Daimler und Volkswagen sind Mitglieder des Vereins Unternehmenscharta der Vielfalt für Deutschland.Auch andere Zulieferer der Automobilbranche (z. B. Bosch, Continental und Mahle), rechnen mit erheblichen Stellenkürzungen. Sie gehören auch zu den mehr als 3300 Unterzeichnern/innen der Charta der Vielfalt und wissen, dass sie wirtschaftlich nur erfolgreich sein koennen, wenn sie die vorhandene Vielfalt erkennen und nutzen.

Gender und Stellenkürzungen

Es wird im Rahmen des Sparkurses darauf ankommen, einen transparenten Prozess mit klaren Auswahlkriterien zu gewährleisten. Wo es eine überwiegend männliche Belegschaft gibt, sind erhebliche geschlechtsspezifische Auswirkungen zu berücksichtigen.
Einige Automobilhersteller haben bereits angekündigt, dass sie versuchen, Arbeitsplätze in sogenannten Unterstützungsfunktionen wie im Personalmanagement, in der Marketing- oder Rechtsabteilung zu reduzieren. Auch unbewusste Vorurteile können bei Entlassungsentscheidungen eine Rolle spielen: So sind Frauen am Arbeitsplatz möglicherweise weniger mit mächtigen Entscheidungsträgern vernetzt. Zweitens kann es emotional schwieriger sein, einen (männlichen) Kollegen mit finanzieller Verantwortung für die Familie zu entlassen, als die Kollegin, die oft als „Zweitverdiener“ betrachtet wird.

Was kommt als Nächstes?

2019 endete mit einer Wahl von Hildegard Müller als neue Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie. Ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass die Automobilindustrie in diesem kritischen Moment die Führung von Frauen schätzt?

Text: Carmen Niethammer
Zusammenfassung und Übersetzung: Mariana Friedrich